
2006: Edith Wäscher
Edith Wäscher
Geboren: Jahrgang 19??
Zur Person:
Arbeit im DEFA-Dokumentarfilmstudio
Später Mitarbeiterin im Staatlichen Filmarchiv der DDR
Öffentlichkeitsarbeit: Zusammenstellung einer Dokumentation über
die Geschichte der Meshrabpom; Organisation einer Ausstellung über
Filminstitute der einzelnen sowjetischen Unionsrepubliken
Interview: Übersetzung:
PD Dr. Björn Seidel-Dreffke
Datum: Berlin, den 19. April 2006
Edith Wäscher erinnert sich in diesem Interview an
Hans Klering. Das Gespräch behandelte einerseits Eindrücke vom
"Menschen" Hans Klering und andererseits Erinnerungen an dessen
politische Einstellung.
Im Folgenden wird der Inhalt des Gesprächs zusammenfassend wiedergegeben.
Auszüge aus O-Tönen sind im Anschluss daran festgehalten.
Zusammenfassung:
Frau Wäscher wurde mit Hans Klering etwa der Mitte der 1960er Jahren
bekannt. Zu jener Zeit war Klering Vorsitzender der "Gesellschaft
für Deutsch-Sowjetische Freundschaft" Friedrichshain und sie
stellvertretende Vorsitzende dieser Gesellschaft. Sie sah Klering vor
allem während gemeinsamer Vorstandstreffen. Ihr gefiel sein unkonventioneller
Arbeitsstiel. Er war absolut kein "Machtmensch", versuchte nicht,
seine Person besonders in den Vordergrund zu spielen. Gemeinsam mit Klering
organisierte Wäscher u. a. Freundschaftsreisen in die Sowjetunion
und verschiedene DSF-Veranstaltungen. Dabei ist ihr vor allem Klerings
persönliches, künstlerisches Engagement im Gedächtnis geblieben.
Dieser zitierte Gedichte und trat auch mit einem Liedrepertoire auf. Auch
Lieder der "Kolonne Links" wurden zum Vortrag gebracht.
Allerdings hatte sie den Eindruck, dass er kaum noch Kontakte zu seinen
später in die DDR zurückgekehrten ehemaligen Kollegen der "Kolonne
Links" hatte. Doch er war durchaus mit anderen ehemaligen Emigranten
in die Sowjetunion weiter in Kontakt. So nahmen an persönlichen Feiern
Klerings regelmäßig Lotte Löbinger und Tanja Greif, die
Frau des viel zu früh 1946 verstorbenen Heinrich Greif, teil.
Edith Wäscher erinnert sich an ein Gespräch zwischen Hans Klering
und Leonid Trauberg (Bruder des 1949 in der Wohnung Klerings verstorbenen
Ilja Traubergs) in den 1970er Jahren. Leonid Trauberg sei speziell in
die DDR gereist, um den Spuren seines Bruders nachzugehen. Frau Wäscher
wollte sich zurückziehen, aber Hans Klering bestand darauf, dass
sie bei dem Gespräch anwesend sei. Dabei brachte Leonid Trauberg
den bis heute kursierenden Verdacht ins Gespräch, dass Ilja Trauberg
ein Opfer des NKWD geworden sei, da die Trauberg-Familie insgesamt wegen
kritischer Äußerungen an der offiziellen sowjetischen Politik
in Misskredit kam.
Klering bestritt vehement die "Verschwörungsthese". Nach
seiner Meinung habe Ilja immer sehr viel gearbeitet, habe sich überarbeitet.
Auf der Feier in Klerings Wohnung, an der auch andere Personen teilgenommen
hatten, kippte Ilja auf der Toilette um. Alles habe auf einen Herzinfarkt
hingedeutet. Das habe auch eine abschließende medizinische Untersuchung
bestätigt.
Frau Wäscher hörte von Hans Klering durchaus eine verhaltene
Kritik an der Stalinära, die er aber nie offiziell geäußert
habe. Allerdings habe ihn das nicht des Glaubens an den Sozialismus beraubt.
Zur Perestrojka habe er geäußert: "Mal sehen, wie gut
es geht."
Zitate:
"Er hat alles, was er gemacht hat, immer sehr locker gemacht, nicht
so streng bürokratisch wie andere Leiter."
"Er hat sich selbst nie so wichtig genommen. Er hat
sich auch von anderen beraten lassen."
"Das Schauspiel war sein Leben."
"Er wollte immer mehr Schauspieler sein als ein Direktor
oder Chef, deshalb hat er so sehr viel nicht über seine Zeit als
DEFA-Direktor gesprochen."
"Auch zu Hause ist er immer sehr bescheidengewesen.
Alles war so einfach und schlicht wie möglich ... ein bisschen 'kriegsmäßig'."
"Wenn ich ihn als Mensch beschreiben soll, gehört
er zu den ruhigen, bescheidenen, die sich nicht zu schade sind, auch die
kleinste Nebenrolle zu spielen. Er war immer auf die Sache konzentriert,
die gerade als Aufgabe vor ihm stand."
"Wenn er einkaufen ging, hat er Leute begrüßt.
Wenn ihn jemand erkannte, ist er stehen geblieben und hat sich mit dem
unterhalten."
Über Zusammentreffen Hans Klering / Leonid Trauberg:
"Dieses Gespräch war in einem Berliner Hotel. Es muss in den
70er Jahren gewesen sein. Ich fragte: Wollt Ihr das unter Euch besprechen
oder soll ich dabei bleiben?'. Beide haben gewollt, ich solle bleiben.
Es war das erste Gespräch des ältesten Sohnes Trauberg (Leonid
- B. S.-D.) mit Hans Klering über Ilja Trauberg. Er war vom Staatlichen
Filmarchiv eingeladen worden. Hans Klering war der Meinung, Ilja Trauberg
habe sehr viel gearbeitet, war sehr kaputt. Er hat gegessen, ist dann
auf der Toilette umgekippt. Der Bruder war der Meinung, es ist eine Sache
des NKWD gewesen. Klering war der Meinung, es war Überabreitung,
er habe was Falsches gegessen, es gab ja damals auch nicht viel zu essen.
... Ich neige zu Klerings Meinung."
Über Klerings Aufenthalt im Arbeitslager 1942:
"Das Dokument der Entlassung aus dem Lager hat der Sohn, Pawel, gefunden.
... Er hat mir die Emigrationszeit lückenlos erzählt und hat
die 8 Lagermonate übersprungen. ... Ich habe das nicht mal gemerkt.
Erst nach seinem Tode hat Pawel das Dokument gefunden und sagte zu mir:
'Stellen Sie sich mal vor, was ich gefunden habe!' Auch der Sohn hat nichts
davon gewusst."
"Dinge, die in der Stalinära geschehen sind, hat
er als verwerflich gesehen, aber er hat es nicht so verarbeitet, dass
er sich vom Kommunismus als Idee losgesagt hätte."
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