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Pawel Klering

 


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1949 Berlin: Hans Klering mit seinem Sohn Pawel

Meine erste Reise in die DDR

Autor: Pawel Klering (geb. 03.03.1946)
Datum: Berlin, den 24.10.2006

Pawel - Wera - Natalja - Nikolaj
Wera, die Frau Pawels - Natalja, die Tochter Pawels - Nikolaj, der Enkel Pawels

Erinnerungen: Meine Eltern lernten sich nach dem Krieg in der Sowjetunion kennen und im März 1946 kam ich auf die Welt. Unsere Familie zog nach Berlin und im Alter von 2 Jahren begann ich bereits ein wenig deutsch zu sprechen. Genau wie mein Vater, der bekannte Schauspieler Hans Klering, hatte auch meine Mutter die Schauspielerei als ihren Lebensmittelpunkt erkoren. Mein Vater war Vorstandsvorsitzender der DEFA und meine Mutter präsentierte Konzertprogramme und führte Mode im Haus der Offiziere in Karlshorst vor.
Im Jahre 1949 beschloss meine Mutter nach Kiew zurückzukehren und nahm mich mit sich. Seit diesem Zeitpunkt sprach ich nur noch russisch und vergaß nach und nach die deutsche Sprache.
Meine Mutter arbeitete an den verschiedensten Theatern der Sowjetunion, meistens 1 bis 2 Spielzeiten. Danach fuhren wir wieder in eine andere Stadt. Sie war eine wunderschöne Frau und eine sehr gute Schauspielerin. Sie spielte all jene Rollen, die ihr lagen und gefielen, und das machte sie mit Engagement und Freude. Ich begleitete sie überall hin und wuchs so in der Theateratmosphäre auf. Doch eine Schauspielkarriere kam für mich nicht in Frage, da hatte meine Mutter etwas dagegen. Seit 1959 lebten wir ständig in Kiew.

1960 Moskau: Pawel Klering
1960 Moskau: Pawel Klering

Mein Vater, Hans Klering, kam mehrmals bis in die 1970er Jahre hinein aus Berlin in die Moskauer Kinostudios. Und während dieser Aufenthalte konnte ich mich mit ihm treffen. Diese Treffen waren sehr kurz, und ich hatte immer das Gefühl, ein Gast bei ihm zu sein.
Meine Eltern waren bis 1972 verheiratet, erst dann erfolgte die offizielle Scheidung.
Inzwischen hatte mein Vater in Berlin bereits eine neue Familie gegründet und auch noch eine Tochter, Juliane, bekommen. Im Jahre 1968 erhielt ich das erste Mal die Genehmigung, in die DDR zu reisen und die neue Familie meines Vaters kennen zu lernen. Damals war ich Student im 4. Semester der Kiewer Universität an der Fakultät für Biophysik. Ich freute mich sehr, endlich ins Ausland reisen zu dürfen. Für Sowjetbürger war dies zur damaligen Zeit keine einfache Angelegenheit. Meine Mutter hat das Land niemals mehr verlassen.

1968: Pawel und seine Mutter Antonia
1968: Pawel und seine Mutter Antonia

In der Wohnung meines Vaters, am Strausberger Platz 14 war es still und bequem, wie in einer Festung. Ich war überwältigt, wie viele Bücher, Zeitungen und Zeitschriften meine Vater hatte. Überall gab es Bücherregale. Mein Vater mochte sie sehr. Ich erfuhr, dass auch er selbst viel schrieb - Artikel über das Kino, Rezensionen, Gedichte, Erinnerungen und sogar eine Autobiographie in Angriff genommen hatte. Er sagte, dass er Zitate und einzelne Begebenheiten während seiner Auftritte auf einigen Konzerten (???) verwenden könne.
Der Tag meines Vaters begann damit, dass er die Zeitungen und Zeitschriften durchsah und Artikel zu bestimmten Themen herausschnitt und sammelte. Ich glaube, er war sehr gern zu Hause alleine. Er mochte die Ruhe, dachte nach, löste Kreuzworträtsel und sammelte Briefmarken. Sogar das Essen bereitete er sich selbst zu. Dazu mischte er Fertigprodukte und Konserven und wärmte alles auf dem Herd auf. Morgens und tagsüber trank er Kaffee mit Milch. Meistens widmete er sich des Nachts ungefähr bis 4 Uhr morgens seiner Lektüre und schlief dann bis gegen 11 Uhr.
Als ich ihn besuchte, freute er sich sehr, mich zu sehen, und wir verbrachten sehr viel Zeit miteinander. Alles in Berlin gefiel ihm, und alles rief Erstaunen hervor. Wir spazierten durch die Stadt, und mein Vater zeigte mir interessante Plätze und erzählte verschiedene Geschichten. Besonders gern besuchten wir den Tierpark und aßen dann in seinem Lieblingsrestaurant "Bajkal" zu Mittag. Einige Male waren wir auch bei Else Korén eingeladen, der Mutter von Juliane, ebenso wie bei den sehr engen Freunden des Vaters, Gerda und Pepi Pilar.
Da ich mich besonders für Technik begeisterte und ein Radiofan war, lief ich durch beinahe alle Berliner Radio- und Musikgeschäfte. Ich brachte allerhand Drähte und Instrumente mit nach Hause, um etwas zu basteln.
In diesen Jahren arbeitete mein Vater noch sehr aktiv beim Kino und Fernsehen. Neben dem Telefon lag das Emblem des DEFA-Studios. Ich fragte ihn, was es bedeute. Mein Vater sagte: "Diene ehrlich friedlichem Aufbau", so müsse man das eigentlich lesen, und übersetzte mir diesen Ausspruch auch in die russische Sprache. Damals habe ich noch kein deutsch verstanden. Elefant - das war das einzige Wort, welches ich mir von der Kindheit her eingeprägt hatte.
Mein Vater hat alles selbst gemacht. Er zeichnete, konnte nähen, Schuhe reparieren, und auch tischlern. Er hatte eine ganze Instrumentensammlung zu Hause. Natürlich habe ich viel von meinem Vater geerbt. So wie für ihn hört für mich der Lernprozess niemals auf, auch ich mag Bücher und systematisiere meine Beobachtungen, kann zeichnen und bin so geschickt, dass ich vieles selbst herstellen kann.
Als ich nach Kiew zurückkehrte, habe ich die Universität beendet, erfolgreich gearbeitet, erhielt eine Promotionsstelle und begeisterte mich für die Perspektive, wissenschaftlich zu arbeiten. Darüber habe ich Vater oft in meinen Briefen geschrieben und während unserer Treffen berichtet.
Er war stolz auf mich und ich auf ihn.

 

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